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Freiheit in der Arbeitswelt

Freedom in the Work Situation

©2016 12 Seiten

Zusammenfassung

Der Beitrag ‚Freiheit in der Arbeitswelt‘ ist ein eindrucksvolles Beispiel für das gute Gespür, das Erich Fromm für kommende Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft hatte, und zwar auch und gerade hinsichtlich der Organisation von Arbeit und der Arbeitenden. „Man entdeckte, dass der glückliche Arbeiter effektiver produziert, und da es das Ziel ist, effektiver zu wirtschaften, schließt man folgerichtig, dass er glücklicher werden soll.“ Die Arbeits- und Organisationspsychologie stürzte sich auf das „Humankapital“, auf Mitbestimmung, Demokratisierung, Profit-Sharing, innerbetriebliche Kommunikation und Zufriedenheitsforschung, mit dem Ziel, die Arbeit zu humanisieren. Doch in Wirklichkeit geht es darum, die Produktivität zu steigern und also den Menschen noch effektiver auszubeuten. Die Folgen sind bekannt: ein immenser Anstieg von berufsbedingten psychischen und psychosomatischen Erkrankungen.

Für Fromm ist „das Problem der Zukunft, Initiative und Aktivität des Menschen wieder herzustellen“. Dies setzt voraus, dass „Arbeit technisch, wirtschaftlich und sozial sinnvoll wird“. Arbeit – auch Erwerbsarbeit – hat der Sinnsuche des Menschen zu dienen. Wo Arbeit letztlich nur als Kostenfaktor gesehen wird, führt sie zur Entfremdung des Menschen von seinen produktiven Eigenkräften.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Freiheit in der Arbeitswelt

(Freedom in the Work Situation)

Erich Fromm
(1959f)

Als E-Book herausgegeben und kommentiert von Rainer Funk[1]
Aus dem Amerikanischen von Liselotte und Ernst Mickel.

Erstveröffentlichung unter dem Titel Freedom in the Work Situation als Einführung in das Buch Labor in a Free Society, hg. von Michael Harrington und Paul Jacobs, Berkeley und Los Angeles (University of California Press) 1959, S. 1-16. – Deutsche Erstveröffentlichung in einer Übersetzung von Rainer Funk in Fromm Forum (deutsche Ausgabe), Tübingen (Selbstverlag), Nr. 7, 2003, S. 55-60.

Die E-Book-Ausgabe orientiert sich am (virtuellen) Band 10 der Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden, München (Deutsche Verlags-Anstalt und Deutscher Taschenbuch Verlag) 1999, S. 151-162.

Die Zahlen in [eckigen Klammern] geben die Seitenwechsel in der Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden wieder.

Copyright © 1959 by Erich Fromm; Copyright © 2003 by The Estate of Erich Fromm. Copyright © als E-Book 2016 by The Estate of Erich Fromm. Copyright © Edition Erich Fromm 2016 by Rainer Funk.

Freiheit kann ganz unterschiedliche Bedeutungen haben. Meinen wir mit Freiheit eine Freiheit von – Freiheit von Plackerei, von Monotonie, von stumpfsinniger Handarbeit, Freiheit von einem autoritären Boss oder Vorarbeiter, Freiheit von Ausbeutung? Oder meinen wir mit Freiheit eine Freiheit zu – die Freiheit, aktiv am Arbeitsprozess teilzunehmen oder die Freiheit, gerne zu arbeiten? Tatsächlich ist unsere Vorstellung von Freiheit heute im wesentlichen eine negative: Wir verstehen unter Freiheit eine Freiheit von statt eine Freiheit zu, weil wir meist mit dem befasst sind, wogegen wir sind, statt mit dem, wofür wir sind – gegen wen wir uns schützen sollten statt wofür wir leben.

Neben dem Begriff „Freiheit“ gibt es noch andere, häufig gebrauchte Begriffe, die eine ähnliche Doppelbedeutung haben. Beim Gebrauch des Wortes „Demokratie“ etwa meinen wir – mehr oder weniger unbewusst – „Zustimmung ohne Anwendung von Gewalt“. Wenn wir das Wort „Gleichheit“ gebrauchen, dann meinen wir „Gleichförmigkeit“, ohne noch daran zu denken, dass „Gleichheit“ ursprünglich „Ebenbürtigkeit“ meinte und bedeutete, dass kein Mensch zum Mittel für die Zwecke eines anderen gemacht werden darf. Oder wir sprechen von „Glück“ und meinen in Wirklichkeit uneingeschränkten Konsum.

Mit der Erörterung des doppelsinnigen Begriffs „Freiheit“ möchte ich versuchen, etwas zum psychologischen Problem des modernen Menschen im allgemeinen und des Arbeiters im besonderen beizutragen.

Über die wirtschaftlichen Grundlagen des Kapitalismus des Zwanzigsten Jahrhunderts, vergleicht man sie mit jenen des Neunzehnten Jahrhunderts, reicht es, auf Folgendes hinzuweisen: Wir leben heute in einer Zeit der Massenproduktion, und zwar sowohl in dem Sinn, dass große Gütermengen produziert werden, als auch in jenem Sinn, dass Menschenmassen gut organisiert und reibungslos zusammenarbeiten. Der Konsum ist bis zu einem gewissen Grad durch Marktforschung voraussagbar; er wird durch Werbung gelenkt, mit der künstliche Bedürfnisse erzeugt werden.

Der Massenmensch steht vier großen Bürokratien gegenüber: der der Industrie, der Arbeit, der Regierung und der Streitkräfte. Diese Bürokratien arbeiten zusammen und bilden ein Netzwerk, das auf den Massenmenschen einwirkt. Dieser ist durchaus bereit, sich von ihnen dirigieren zu lassen, vorausgesetzt, er kann die Illusion aufrechterhalten, dass er aus freien Stücken [X-152] entscheidet und dass er es „in Wirklichkeit“ ist, der den Bürokratien sagt, wo es lang geht.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Deutsche E-Book Ausgabe
Jahr
2016
ISBN (ePUB)
9783959121712
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (Februar)
Schlagworte
Erich Fromm Psychoanalyse Sozialpsychologie Freiheit Wirtschaft Entfremdung
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Titel: Freiheit in der Arbeitswelt