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Der Ödipuskomplex. Bemerkungen zum „Fall des kleinen Hans“

The Oedipus Complex: Comments on „The Case of Little Hans“

©2016 11 Seiten

Zusammenfassung

Dem Beitrag "Der Ödipuskomplex. Bemerkungen zum 'Fall des kleinen Hans“'" liegt die Arbeit einer Studiengruppe über "Angst“ zugrunde, an der neben Fromm noch eine ganze Reihe seiner mexikanischen Schüler mitgearbeitet haben. – Für die an der klinischen Arbeit Fromms Interessierten kann die Bedeutung dieses Artikels kaum hoch genug eingeschätzt werden, da er plastisch vor Augen führt, wie Fromm von seinem sozial-psychoanalytischen Ansatz her mit den Daten umgeht, die Freuds Theorie des Ödipuskomplexes gestützt haben.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Der Ödipuskomplex. Bemerkungen zum „Fall des kleinen Hans“

(The Oedipus Complex: Comments an „The Case of Little Hans“)

Erich Fromm
(1966k)

Als E-Book herausgegeben und kommentiert von Rainer Funk[1]
Aus dem Amerikanischen von Liselotte und Ernst Mickel.

Die von Erich Fromm und seinen mexikanischen Mitarbeitern verfasste Arbeit wurde zuerst unter dem Titel El complejo de Edipo: Comentarios al „Análisis de la fobia de un niño de cinco años“ in der Zeitschrift Revista de Psicoanálisis, Psiquiatria y Psicologia (Mexico 4 (1966) S. 26-33) veröffentlicht. Die englische Fassung fand 1970 Aufnahme in den Essayband The Crisis of Psychoanalysis, New York (Holt, Rinehart and Winston). Deutsch erschien der Aufsatz erstmals in einer Übersetzung von Liselotte und Ernst Mickel in der Erich Fromm Gesamtausgabe in zehn Bänden, Stuttgart (Deutsche Verlags-Anstalt), GA VIII, S. 143-151.

Die E-Book-Ausgabe orientiert sich an der Textfassung in der Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden, München (Deutsche Verlags-Anstalt und Deutscher Taschenbuch Verlag) 1999, GA VIII, S. 143-151.

Die Zahlen in [eckigen Klammern] geben die Seitenwechsel in der Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden wieder.

Copyright © 1966 by Erich Fromm; Copyright © als E-Book 2016 by The Estate of Erich Fromm. Copyright © Edition Erich Fromm 2016 by Rainer Funk.

Im Jahre 1905 veröffentlichte Freud seine Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie (S. Freud, 1905d). Die Daten, die sich bei seinen Analysen Erwachsener ergaben, weckten in ihm das wissenschaftliche Bedürfnis, die Gültigkeit seiner Beobachtungen dadurch zu beweisen, dass er das aus dem Leben eines Kindes gewonnene Material noch einmal genau überprüfte. Das Ergebnis war die Analyse der Phobie eines fünfjährigen Knaben (S. Freud, 1909b), die er vier Jahre später veröffentlichte. Mit diesem Werk, das viele fruchtbare Erkenntnisse enthält, glaubte Freud, die pathogene Rolle des Ödipuskomplexes bewiesen zu haben.

Freud glaubte, dass dieser Hans „wirklich ein kleiner Ödipus“ war (S. Freud, 1909b, S. 345). Es machte dem kleinen Jungen großen Spass, bei der Mutter im Bett zu liegen und mit ihr aufs Klosett zu gehen. Andererseits sah er im Vater einen Rivalen. In Gmunden wollte er den Vater „weg“, „beseitigt“ haben, in Wien dann hatte dieser Wunsch die Form angenommen, „der Vater solle dauernd weg, solle ‘tot’ sein“ (S. Freud, 1909b, S. 346). Freud sagt deshalb (a.a.O.):

Die aus diesem Todeswunsch gegen den Vater entspringende, also normal zu motivierende Angst vor dem Vater bildete das größte Hindernis der Analyse, bis sie in der Aussprache in meiner Ordination beseitigt wurde.

Nach Freuds Ansicht waren die Phobien des kleinen Hans eine Folge seiner libidinösen inzestuösen Wünsche nach der Mutter, die durch die Geburt seiner kleinen Schwester noch verschlimmert wurden, da er durch dieses Ereignis aus dem elterlichen Schlafzimmer verbannt wurde und die Mutter ihm nicht mehr die gewohnte Aufmerksamkeit schenken konnte. Hinzu kam noch sein Hass gegen den Vater als einen Rivalen, seine Angst, dieser werde ihn als Vergeltungsmaßnahme kastrieren, sowie das Verlangen des Kleinen, auch weiterhin der Liebe seiner Eltern würdig zu sein. Er wünscht den Tod des Vaters und fürchtet, von ihm kastriert zu werden, und diese Angst findet symbolischen Ausdruck in seiner Angst, von einem Pferd gebissen zu werden. So ist der Schrecken, den ein gefallenes Pferd dem kleinen Jungen einjagt, Ausdruck seines Wunsches, dass der Vater tot wäre. Sein Bestreben, dem Anblick eines Pferdes aus dem Weg zu gehen, ist eine Manifestation der Phobie, die sich als Flucht vor beiden Ängsten bei ihm entwickelt hat. [VIII-144]

Wenn auch Freuds Argumentation durchaus logisch und plausibel erscheint und er eine Fülle von klinischem Material dazu vorbringt, bleiben doch einige Fragen und Zweifel bestehen. Die erste Frage lautet: Behandeln die Eltern den kleinen Hans wirklich so vernünftig, wie Freud es behauptet?

Seine Eltern, die beide zu meinen nächsten Anhängern gehörten, waren übereingekommen, ihr erstes Kind mit nicht mehr Zwang zu erziehen, als zur Erhaltung guter Sitte unbedingt erforderlich werden sollte, und da das Kind sich zu einem heiteren, gutartigen und aufgeweckten Buben entwickelte, nahm der Versuch, ihn ohne Einschüchterung aufwachsen und sich äußern zu lassen, seinen guten Fortgang. (S. Freud, 1909b, S. 244.)

Details

Seiten
Erscheinungsform
Deutsche E-Book Ausgabe
Jahr
2016
ISBN (ePUB)
9783959121668
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (Februar)
Schlagworte
Erich Fromm Psychoanalyse Sozialpsychologie Ödipuskomplex Angst klinische Arbeit
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Titel: Der Ödipuskomplex. Bemerkungen zum „Fall des kleinen Hans“