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C. G. Jung: Prophet des Unbewussten. Zu „Erinnerungen, Träume, Gedanken“ von C. G. Jung

C. G. Jung: Prophet of the Unconscious. A Discussion of „Memories, Dreams, Reflections“ by C. G. Jung

©2016 8 Seiten

Zusammenfassung

Es überrascht immer wieder, wie scharf Fromm Carl Gustav Jung kritisierte. Freud sei der Aufklärer, Jung aber der Verdunkler im Bereich der Seele. Gerade der Beitrag "C. G. Jung: Prophet des Unbewussten" – eine Rezension von Jungs Autobiographie "Erinnerungen, Träume, Gedanken" – zeigt, wie schwer sich Fromm tut, auch noch die Verdienste Jungs zu erwähnen. Nur knapp notiert Fromm am Ende des Beitrags: Jung hat „festgestellt, dass es gewisse intensive Wünsche mit bestimmten Antworten darauf gibt, die den Bedingungen der menschlichen Existenz entsprechen (die ‚Archetypen’), und dass diese Archetypen bei allen Menschen zu finden sind. Er hat Freuds Energiekonzept der Libido von ihren engen sexuellen Schranken befreit. Er hat eine Brücke gebaut zwischen dem persönlichen Erlebnis und Mythen, Riten und Symbolen.“ Trotzdem, die Vorbehalte überwiegen in diesem Beitrag. Einen der Vorwürfe, die Fromm gegen den Menschen Jung und seine Psychologie formuliert, ist Jungs Opportunismus. Dieser Vorwurf hat vor allem mit Jungs politischer Naivität und seiner Herausgebertätigkeit des "Zentralblatts für Psychotherapie" zu tun. Hier habe Jung zwischen einer arischen und einer jüdischen Psychologie unterschieden.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


C. G. Jung: Prophet des Unbewussten. Zu „Erinnerungen, Träume, Gedanken“ von C. G. Jung

(C. G. Jung: Prophet of the Unconscious. A Discussion of „Memories, Dreams, Reflections“ by C. G. Jung)

Erich Fromm
(1963e)

Als E-Book herausgegeben und kommentiert von Rainer Funk[1]
Aus dem Amerikanischen von Liselotte und Ernst Mickel.

Erstveröffentlichung unter dem Titel C. G. Jung: Prophet of the Unconscious. A Discussion of „Memories, Dreams, Reflections“ by C. G. Jung, in: Scientific American, New York 209 (1963) S. 283-290. Eine erste deutsche Übersetzung besorgten Liselotte und Ernst Mickel für die Erich Fromm Gesamtausgabe in zehn Bänden, Stuttgart (Deutsche Verlags-Anstalt) 1981, GA VIII, S. 125-130.

Die E-Book-Ausgabe orientiert sich an der Textfassung in der Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden, München (Deutsche Verlags-Anstalt und Deutscher Taschenbuch Verlag) 1999, GA VIII, S. 125-130.

Die Zahlen in [eckigen Klammern] geben die Seitenwechsel in der Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden wieder.

Copyright © 1963 by Erich Fromm; Copyright © als E-Book 2016 by The Estate of Erich Fromm. Copyright © Edition Erich Fromm 2016 by Rainer Funk.

„Je älter ich wurde, desto weniger verstand oder erkannte oder wusste ich mich (...); ich habe kein Urteil über mich und mein Leben. In nichts bin ich ganz sicher. Ich habe keine definitive Überzeugung – eigentlich von nichts.“ (C. G. Jung, 1963, S. 360).

Diese Worte hat C. G. Jung in hohem Alter niedergeschrieben, als einer, der den Anspruch erhob, einen Weg zur Selbsterkenntnis gefunden zu haben, welcher besser sei als Freuds Psychoanalyse. Jungs posthum veröffentlichte Autobiographie gibt uns eine Antwort hierauf und auf andere Fragen, die vielen seiner Leser Kopfzerbrechen gemacht haben. Die Autobiographie enthüllt den Menschen und zeigt, weshalb Jung einen solchen Nachdruck auf das kollektive Unbewusste und auf den Gegensatz zu Freuds persönlichem Unbewussten legte; er wollte sich davor bewahren, sich seiner eigenen verdrängten Erfahrungen bewusst zu werden, indem er sein Unbewusstes zum Teil einer mythischen Größe machte, die alle Menschen gleichmäßig beherrscht und weder Gut noch Böse kennt. Jung war ein Mensch, der unbarmherzig von den Furien der Unsicherheit, Destruktivität und Einsamkeit verfolgt wurde; er fand ein gewisses Maß an Frieden in dem, was er für die Enthüllungen und Gebote eines mythischen Unbewussten hielt.

Jungs Leben war von Kind auf beherrscht von seiner Suche nach Gewissheit. War Gott eine Realität? War er – Jung – eine Realität? War das Böse eine Realität? Schließlich glaubte er, eine Antwort in der Auffassung gefunden zu haben, dass seine Visionen, Träume und Phantasien sämtlich Manifestationen des Unbewussten seien und dass er als erster die letzte Realität entdeckt und sich ihr voll bewusst unterworfen habe, wodurch er sie zähmen konnte. Seine Autobiographie ist aufschlussreich und eindrucksvoll. Sie würde zumindest mein eigenes tiefes Mitgefühl erwecken, wenn nicht Jung seine Unfähigkeit, die Wahrheit zu erkennen, mit einem so hochgradigen Opportunismus verbunden hätte, dass er als tragischer Held oft dem Rattenfänger von Hameln gleicht. [VIII-126]

Schon früh kamen ihm Zweifel. Mit drei oder vier Jahren hatte er einen Traum, der – so wie er ihn später deutete – seinen Zweifel zum Ausdruck brachte, ob Jesus kleine Kinder verschlingt. Ein ähnliches, noch beunruhigenderes Kindheitserlebnis hatte er im Alter von zwölf Jahren, als er den Zwang fühlte sich vorzustellen, dass Gott auf seinem goldenen Thron saß und mit einem ungeheuren Exkrement eine schöne Kirche zerschmetterte. (Vgl. C. G. Jung, 1963, S. 45.) Aus Angst, mit einem so schrecklichen Gedanken eine schreckliche Sünde zu begehen, versuchte er, ihn zu unterdrücken. Als die Qual schließlich unerträglich wurde, kam er zu dem Schluss, wenn er von einer solchen gotteslästerlichen Versuchung besessen sei, so müsse dies Gottes Wille sein. Er gab daraufhin dem Gedanken nach und hatte das Gefühl, das Wunder der Gnade dadurch erlebt zu haben, dass er sich Gottes Willen so völlig unterworfen habe. (In Bezug auf dieses Erlebnis wie auch in Bezug auf viele Züge seiner Persönlichkeit weist Jung eine bemerkenswerte Verwandtschaft mit Luther auf.) „Es war ein furchtbares Geheimnis, das ich erlebt hatte, und es bedeutete für mich eine angstvolle und dunkle Angelegenheit. Sie überschattete mein Leben, und ich wurde sehr nachdenklich“ (C. G. Jung, 1963, S. 46). Tatsächlich blieben Unsicherheit, Unterwerfung und die Hass-Liebe-Ambivalenz gegenüber Gott (und, nebenbei bemerkt, auch gegenüber seinem Vater) das Thema seines Lebens.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Deutsche E-Book Ausgabe
Jahr
2016
ISBN (ePUB)
9783959121644
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (Februar)
Schlagworte
Erich Fromm Psychoanalyse Sozialpsychologie C.G. Jung Rezension Kritik
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Titel: C. G. Jung: Prophet des Unbewussten. Zu „Erinnerungen, Träume, Gedanken“ von C. G. Jung