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Seiten: (ca.) 8
Erscheinungsform: Deutsche E-Book Ausgabe
Erscheinungsdatum: 1.2.2016
ISBN: eBook 9783959121620
Format: ePUB
Der Beitrag "Anmerkungen zum Problem der Freien Assoziation" gibt einen guten Einblick in das andere Verständnis von therapeutischer Beziehung und vom Umgang mit der Gegenübertragung, wie Fromm ihn Anfang der Fünfziger Jahre bereits praktiziert hat. In den Fünfziger Jahren war gerade die amerikanische Psychoanalyse völlig von der Ritualisierung eines als orthodox ausgegebenen Verständnisses psychoanalytischer Praxis bestimmt. Darüber hinaus thematisiert Fromm nur in diesem Beitrag die Bedeutung des freien Einfalls in der therapeutischen Kommunikation.
(Remarks on the Problem of Free Association)
Erich Fromm
(1955d)
Als E-Book herausgegeben und kommentiert von Rainer Funk[1]
Aus dem Amerikanischen von Liselotte und Ernst Mickel.
Erstveröffentlichung unter dem Titel Remarks on The Problem of Free Association in Psychiatric Research Reports 2 (December 1955). Eine von Rainer Funk besorgte deutsche Übersetzung erschien erstmals in der Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden, München (Deutsche Verlags-Anstalt und Deutscher Taschenbuch Verlag) 1999, GA XII, S. 195-200.
Die E-Book-Ausgabe orientiert sich an der Textfassung in der Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden, München (Deutsche Verlags-Anstalt und Deutscher Taschenbuch Verlag) 1999, GA XII, S. 195-200.
Die Zahlen in [eckigen Klammern] geben die Seitenwechsel in der Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden wieder.
Copyright © 1955 by Erich Fromm; Copyright © als E-Book 2016 by The Estate of Erich Fromm. Copyright © Edition Erich Fromm 2016 by Rainer Funk.
Freuds große Entdeckung geht in zwei Richtungen. Die eine hat mit dem Inhalt, die andere mit der Methode zu tun. Was die inhaltliche Seite der Entdeckung Freuds betrifft, so ist die nachhaltigste und fundamentalste Entdeckung die des Unbewussten. Was die Methode betrifft, so hat Freud einen Weg entdeckt, das Unbewusste zu erkennen, das heißt, etwas sehen zu können, was gewöhnlich unsichtbar ist.
Freud hat gezeigt, dass in jedem von uns zwei Personen sind. Die eine ist die erwachsene, vernünftige, angepasste, sozusagen die „offizielle“ Person, die wir alle sind, wenn wir wach sind und unseren normalen Geschäften nachgehen. Dann aber gibt es in uns noch eine andere Persönlichkeit: das kleine Kind in uns oder, besser gesagt, verschiedene Kinder – ein sechs Monate altes, ein einjähriges, vielleicht ein fünfjähriges und ein vierzehnjähriges. Sie alle sind lebendig und handeln, bestimmen unser Fühlen und Handeln, freilich ohne direkt beobachtbar und sichtbar zu sein.
Unser Verhalten, unser Fühlen, unser Denken, ist immer eine Mischung aus unserer „Tag-Persönlichkeit“ und der anderen Persönlichkeit, die man die unbewusste oder dissoziierte Persönlichkeit in uns nennen könnte. Tatsächlich lässt sich diese dissoziierte Persönlichkeit nur in wenigen Fällen direkt beobachten: in der Psychose, unter Hypnose, unter dem Einfluss von Drogen oder während des Schlafes, wenn wir träumen, weshalb Freud die Träume eine vorübergehende Psychose genannt hat. Während wir schlafen, hören wir auf diese dissoziierte Persönlichkeit. Sie kommt zum Vorschein, spricht, denkt und sieht Dinge, während die Tag-Persönlichkeit auf die hinteren Plätze verwiesen ist und nur mit einer ganz schwachen Stimme spricht, wobei sie das, was die dissoziierte Persönlichkeit spricht, entstellt und verschönert.
Natürlich gibt es unter den Psychoanalytikern verschiedene Auffassungen über das Wesen dieser dissoziierten Persönlichkeit. Freud dachte, es sei um den Kern kindlicher Sexualwünsche gruppiert. Andere Psychoanalytiker verstehen die dissoziierte Persönlichkeit umfassender und nicht wesentlich auf einen sexuellen Kern bezogen. Doch trotz solcher Unterschiede definieren auch sie die dissoziierte Persönlichkeit in Begriffen eines Kindes, das noch nicht ganz aus dem Mutterleib hervorgegangen ist, oder das sich noch [XII-196]nicht ganz von der Mutterbrust getrennt hat, oder das sich noch nicht ganz aus der Gehorsamsbindung an die Autorität des Vaters gelöst hat, um sich zu einem tätigen, produktiven Leben aus eigenen Kräften zu entwickeln.