Zusammenfassung
Inzwischen hat die psychoanalytische Geschichtsschreibung Ferenczi und seinen therapeutischen Ansatz rehabilitiert und damit Fromms Anliegen bestätigt.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
- Psychoanalyse – Wissenschaft oder Linientreue
- Literaturverzeichnis
- Der Autor
- Der Herausgeber
- Impressum
Psychoanalyse – Wissenschaft oder Linientreue
(Psychoanalysis – Science or Party Line?)
Erich Fromm
(1958a)
Als E-Book herausgegeben und kommentiert von Rainer Funk
aus dem Amerikanischen Carola Dietlmeier, überarbeitet von Rainer Funk
Erstveröffentlichung unter dem Titel Psychoanalysis – Scientism or Fanaticism?, in: Saturday Review, New York 41 (14. 6.1958), S.11-13 und 55°f. Von Fromm selbst leicht verändert fand der Artikel unter dem Titel Psychoanalysis – Science or Party Line? Eingang in den Sammelband The Dogma of Christ and Other Essays on Religion, Psychology and Culture, New York (Holt, Rinehart and Winston) 1963, S. 93-102. Eine erste deutsche Übersetzung erschien 1965 unter dem Titel Die Psychoanalyse – Wissenschaft oder Doktrin? in Das Christusdogma und andere Essays im Szczesny Verlag, München). Mit überarbeiteter Übersetzung wurde der Beitrag 1980 unter dem Titel Psychoanalyse – Wissenschaft oder Linientreue in die Erich Fromm Gesamtausgabe in zehn Bänden, Stuttgart (Deutsche Verlags-Anstalt), GA VIII, S. 27-34, aufgenommen.
Die E-Book-Ausgabe orientiert sich an der von Rainer Funk herausgegebenen und kommentierten Textfassung der Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden, München (Deutsche Verlags-Anstalt und Deutscher Taschenbuch Verlag) 1999, Band VIII, S. 27-34.
Die Zahlen in [eckigen Klammern] geben die Seitenwechsel in der Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden wieder.
Copyright © 1958 by Erich Fromm; Copyright © als E-Book 2015 by The Estate of Erich Fromm. Copyright © Edition Erich Fromm 2015 by Rainer Funk.
Bekanntlich ist die Freudsche Psychoanalyse eine Therapie zur Heilung von Neurosen und eine wissenschaftliche Theorie, die sich mit dem Wesen des Menschen befasst.[1] Weniger bekannt ist, dass sie auch eine „Bewegung“, eine internationale Organisation mit streng hierarchischem Aufbau und strengen Zugehörigkeitsregeln ist, die viele Jahre von einem aus Freud und sechs anderen bestehenden Geheimkomitee geleitet wurde. Diese Bewegung hat bei Gelegenheit und durch einige ihrer Mitglieder einen Fanatismus an den Tag gelegt, der gewöhnlich nur in religiösen und politischen Bürokratien zu finden ist.
Als revolutionäre wissenschaftliche Theorie ließe sich die Psychoanalyse am ehesten mit der Theorie Darwins vergleichen, die sich auf das moderne Denken noch gewaltiger ausgewirkt hat als die Psychoanalyse. Gibt es aber eine darwinistische „Bewegung“, die festlegt, wer sich als „Darwinist“ bezeichnen darf, die straff organisiert ist und fanatisch für die Reinheit der Lehre Darwins kämpft?
Ich möchte zuerst einige der drastischeren und unglücklicheren Ausdrucksformen dieses „Parteigeistes“ im Zusammenhang mit der Freud-Biographie von Ernest Jones aufzeigen (E. Jones, 1960-1962). Dies aus zwei Gründen: Erstens führte Jones’ Parteifanatismus ihn zu grotesken posthumen Angriffen auf Männer, die mit Freud nicht übereinstimmten, und zweitens haben viele Rezensenten von Jones’ Buch diese Angaben ohne Kritik oder Zweifel hingenommen.
Die „Neufassung“ der geschichtlichen Ereignisse durch Jones führt in die Wissenschaft eine Methode ein, die wir bislang nur in der stalinistischen „Geschichtsschreibung“ zu finden erwarteten. Die Stalinisten nannten Abtrünnige und Rebellen „Verräter“ und „Spione“ des Kapitalismus. Dr. Jones tut das gleiche in psychiatrischer Redeweise, indem er behauptet, dass Rank und Ferenczi, die beiden Männer, die Freud am engsten verbunden waren, aber später in einigen Punkten von ihm abwichen, seit vielen Jahren psychotisch gewesen seien. Er unterstellt, dass nur ihre Geisteskrankheit das Verbrechen ihres Abfalles von Freud erkläre, und im Falle Ferenczis, dass seine Klagen über die barsche und unduldsame Behandlung, die ihm von Seiten Freuds widerfuhr, ipso facto der Beweis der Psychose seien.
Zuerst ist bemerkenswert, dass viele Jahre, bevor Ranks oder Ferenczis [VIII-028] „Treulosigkeit“ zur Debatte stand, innerhalb des Geheimkomitees heftige Kämpfe und Eifersüchteleien zwischen Abraham, Jones und, in gewissem Maße, Eitingon auf der einen und Rank und Ferenczi auf der anderen Seite entstanden. Bereits 1924, als Rank sein Buch über das Geburtstrauma veröffentlichte, das Freud freundlich aufnahm, verdächtigte Abraham – „da er hörte, dass Freud für Kritik (...) ein offenes Ohr habe“ (E. Jones, 1960-1962, Band III, S. 83) – Rank, er folge Jung auf dem Weg zum „Verrat“.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Deutsche E-Book Ausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2015
- ISBN (ePUB)
- 9783959120586
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2015 (August)
- Schlagworte
- Erich Fromm Psychoanalyse Freud Sándor Ferenczi Ernest Jones Sozialpsychologie