Zusammenfassung
Gerade die Wirkung auf unsere Seele ist bei Johanniskraut nicht zu unterschätzen, denn es hellt die Stimmung auf. Ideal ist Johanniskraut für Menschen, die zu Depressionen neigen. Aber auch Wechseljahresbeschwerden und Konzentrationsschwierigkeiten lassen sich mit Johanniskraut mildern.
Lernen Sie in diesem Buch die vielfältigen Heilwirkungen des Johanniskrauts kennen und schätzen.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Die heilende Kraft des Johanniskrauts
- Inhalt
- Vorwort
- Botanik
- Das Sonnenrad
- Ein bescheidener Weltbürger
- Johanniskraut und seine Namen
- Historie - Das Kraut in der Volksmedizin
- Altertum und mittelalterliche Klostermedizin
- Paracelsus und die Signaturenlehre
- Kräuterbücher der Neuzeit
- Anwendungen in der Volksmedizin und heute
- Inhaltsstoffe und ihre Wirkungen
- Hypericin und hypericinähnliche Stoffe
- Flavonoide
- Hyperforin
- Ätherisches Öl
- Gerbstoffe
- Xanthone und sonstige Inhaltsstoffe
- Wirkung des Johanniskrauts auf Gehirnstoffwechsel und Nervensystem
- Antibakterielle und antivirale Wirkung
- Johanniskraut richtig anwenden
- Achten Sie auf Qualität
- Kleine Teekunde
- Fertigpräparate aus Johanniskraut
- Gegenanzeigen und Wechselwirkungen
- Nebenwirkungen
- Ein Heilkraut für die Seele
- Depressionen - eine Krankheit unserer Zeit
- Was ist eine Depression?
- Immer wenn der Winter kommt
- Johanniskraut zur Wundheilung und gegen Schmerzen
- Pflege der Haut
- Offene Wunden und eitrige Hautentzündungen
- Krampfadern, Unterschenkelgeschwüre
- Leichte Verbrennungen und Sonnenbrand
- Stumpfe Verletzungen
- Muskel- und Nervenschmerzen, Rheuma, Hexenschuß
- Johanniskraut für die inneren Organe
- Wann hilft Johanniskraut?
- Johanniskraut gegen Bettnässen bei Kleinkindern
- Johanniskraut und AIDS
- Johanniskraut in der Homöopathie
- Erkennen und Sammeln, Anbauen und Ernten
- So sammeln Sie Johanniskraut
- So trocknen Sie Johanniskraut
- Anpflanzung im Kräutergarten - Die Apotheke im eigenen Garten
- So verarbeiten sie die Kräuter
- Kombinationen mit anderen Heilkräutern
- Heilkräuter für Nerven und Gemüt
- Baldrian
- Hopfen
- Melisse
- Passionsblume
- Hafer
- Nelkenwurz, Benediktenkraut
- Pomeranze
- Kava-Kava
- Lavendel
- Rezepte für Teemischungen
- Nervenberuhigende Tees:
- Schlaffördernde Tees:
- Stimmungsaufhellende Tees:
- Johanniskraut als Bestandteil sonstiger Teekuren
Vorwort
Die große Heilkundlerin und Mystikerin des Mittelalters – Hildegard von Bingen (1098 - 1179) – schrieb in der Physika, dem naturwissenschaftlich-medizinischen Teil ihres Lebenswerkes, über das Johanniskraut: „Die Pflanze ist kalt und ein gutes Viehfutter, zu Arzneien ist sie nicht zu gebrauchen.“ Doch hier irrte die Äbtissin. Seit der Antike ist das Johanniskraut bekannt für seine Heilwirkung und hochgeschätzt. Hypericum perforatum – so der wissenschaftliche Name – ist nicht nur eine der schönsten Pflanzen unserer heimischen Flora, sondern sie taugt sehr wohl zur Heilung vielfältiger Beschwerden. Griechische und römische Autoren beschrieben Anwendungen und huldigten dem Kraut.
Im Mittelalter herrschte Aberglaube vor, Legenden rankten um das Kraut, das gar vor dem Zorn des Teufels schützen sollte. Paracelsus schwärmte: „Seine Tugend kann gar nicht beschreiben werden, wie groß ist eigentlich ist und gemacht werden kann.“ Ein Teil der unzähligen Mythen und Legenden spiegelt sich wieder in den volkstümlichen Namen: Blutkraut, Hexenkraut, Teufelsflucht, Christi Kreuzblut und viele andere mehr.
In unserem Jahrhundert wurde Johanniskraut in die offiziellen Arzneibücher aufgenommen. Die moderne Arzneipflanzenforschung konnte die Heilwirkungen des Krauts bestätigten und Ärzte, Therapeuten und Pharmazeuten erkannten die Heilwirkung an.
Heute steht mehr die Wirkung auf unsere Seele im Vordergrund. Mediziner und Forscher wissen: Johanniskraut hellt die Stimmung auf. Seither erlebt die Pflanze eine regelrechte Renaissance – bei Kräuterheilkundlern, Ärzten und Laien gleichermaßen. Johanniskraut ist die wichtigste Pflanze für das Nervensystem. Es wirkt als Stimmungsaufheller ohne daß es eine Abhängigkeit hervorruft. Ideal ist Johanniskraut für Menschen, die zu Depressionen neigen. Aber auch die Winterdepression, Wechseljahresbeschwerden und Konzentrationsschwierigkeiten lassen sich mit Johanniskraut mildern.
Zahlreiche einst volksmedizinische Anwendungen gerieten in Vergessenheit. Doch immer noch nutzen Pharmazeuten das ganze Kraut zur inneren Anwendung als Tee, Tinktur, Frischsaft oder Kapseln und die frischen Johanniskrautblüten für Rotöl und Rotölkapseln. Lernen Sie die vielfältigen Heilwirkungen des Johanniskrauts kennen und schätzen.
Botanik
Johanniskraut ist unverwechselbar. Wer einmal diese ansehnliche Pflanze mit ihren kräftig gelb strahlenden Blütensternen mit offenen Augen betrachtet hat, der erkennt sie immer und überall wieder.
Das Sonnenrad
Im Frühjahr treibt die Staude ein großes Büschel aufrecht stehender Stengel. Jeder von ihnen wächst 40 bis 50 Zentimeter in die Höhe, manche erreichen gar einen Meter. Im oberen Drittel verzweigen und verästeln sich die Stengel so reichlich, daß eine einzelne Pflanze einen beachtlichen Umfang einnimmt. Johanniskraut geht stark in die Breite.
Zur Zeit der Sommersonnenwende – dem 24. Juni oder dem Johannistag – beginnt der Strauch zu blühen und strahlt und leuchtet den ganzen Sommer hindurch. Ende August, je nach Standort auch erst spät im September endet die Blütenzeit und die letzten Samenkapseln reifen heran. Das Johanniskraut überdauert den Winter mit einem weitverzweigten Wurzelstock.
Die Blüte ähnelt einem Sonnenrad – ringsum fünf goldgelbe Kronenblätter, in der Mitte ragen 50 bis 60 gelbe Staubblätter heraus. Der Strauch ist geradezu übersät mit den vielen Blüten. Die alten Germanen sahen in der Johanniskraut-Blüte ein Abbild der Sonne. Bei der Christianisierung wurde der Tag der Sonnenwende Johannes dem Täufer geweiht, das einstige Sonnenwendkraut wurde zum Johanniskraut.
Die Blüte gab Anlaß zu allerlei Legenden. Zerreiben Sie mal eine Blüte oder eine Knospe zwischen Ihren Fingern. Sie verfärbt sich dunkelrot – wie Blut. Tatsächlich tritt beim Zerdrücken der frischen, gelben Blütenblätter ein rubinroter Farbstoff aus. Er enthält das medizinisch wirksame Hypericin. Die Pflanze speichert den Farbstoff in den schwarzroten Drüsenschuppen, die Sie als Pünktchen auf den Blütenblättern erkennen können. Unsere Vorfahren sahen in der roten Farbe ein Blutzeichen. Doch davon erfahren Sie später mehr. Die Blüten stehen in rispenähnlichen Blütenständen, Botaniker sprechen auch von einer Trugdolde.
Auch die Blätter bieten der Phantasie Nahrung. Sie sind gegenständig, eineinhalb bis drei Zentimeter lang, länglich oval und sitzen praktisch direkt am Stengel. Das auffälligste Merkmal aber ist: Die Blätter erscheinen durchlöchert. Wenn Sie ein Blatt gegen das Licht halten, sehen Sie zahlreiche helle Punkte. Dabei handelt es sich keineswegs um Löcher, sondern Sie sehen die durchsichtigen Sekretbehälter. In diesen Behältern speichert das Johanniskraut seine ätherischen Öle. Der Volksmund erzählte einst, der Teufel selbst habe die Blätter mit Nadelstichen durchbohrt, ergrimmt über die große Heilkraft des Krautes.
Neben der Blüte und den perforierten Blättern weist das Johanniskraut noch ein drittes, ganz charakteristisches Merkmal auf: Nämlich seinen Stengel. Der Stengel hat zwei Kanten und sieht aus wie zusammengedrückt. Ein zweikantiger Stengel ist etwas ganz Besonderes in der Pflanzenwelt. Die Kräuter besitzen meist runde oder vierkantige Stengel, sehr selten jedoch findet man einen Stengel mit zwei Längsleisten.
Stengel, Blätter und Blüten sind so charakteristische Merkmale, das jeder das Heilkraut – Hypericum perforatum – einfach und sicher von allen anderen verwandten und ähnlich aussehenden Arten unterscheiden kann.
Ein bescheidener Weltbürger
Johanniskraut liebt die Sonne. Es besiedelt lichte Stellen in Wäldern, gedeiht an Wald- und Wegrändern, entlang der Bahngleise, auf brachliegenden Äckern sowie in Heidegebieten, auf Wiesen und auf Grasplätzen. Johanniskraut wächst überall, wo die Sonne hinkommt, im Tal ebenso wie im Gebirge. Es stellt recht bescheidene Ansprüche an den Boden: trocken sollte er sein, nährstoffarm und tiefgründig.
Seine ursprüngliche Heimat ist Europa, Nordafrika und Westasien. Im Norden dringt es vor bis nach Mittel-Skandinavien und im Osten bis zum Altai-Gebirge. Mit der Eroberung Amerikas und Australiens schleppten die Pioniere, Eroberer und ersten Siedler das beliebte Kraut in die neue Welt ein. Heute ist Johanniskraut ein wahrer Kosmopolit.
Es gibt zahlreiche Spielarten des Krauts, sowohl im Aussehen als auch in seinen ökologischen Anforderungen. Die Botaniker und Systematiker unterscheiden 378 Arten der Gattung Hypericum – Johanniskraut. Es ist eine sehr artenreiche und vielgestaltige Pflanzengruppe. Nahe miteinander verwandte Arten gedeihen nebeneinander und können sich auch miteinander kreuzen.
Johanniskraut und seine Namen
Um das Johanniskraut ranken sich unzählige Geschichten und Legenden. Die meisten spiegeln sich in irgendwelchen volkstümlichen Namen wieder. Hier eine kleine Auswahl.
Hartheu: Die festen, derben Stengel des Johanniskrauts geben ein hartes Heu. Hartheu macht allerdings auch den Stuhl hart, es stopft und hilft bei Durchfall. Ein Kräuterbuch aus dem 16. Jahrhundert beschreibt die Wirkung so: „Der Samen gesotten und getruncken stopfft den Bauchfluß … Das Wasser mit rotem Wein getrunken macht alle überflüssige Stuhlgäng verstehen“.
Tausendlöcherkraut: Dieser Namen bezieht sich auf die scheinbar durchlöcherten Blätter. In der frühen Neuzeit hielt man dies als Zeichen für die Heilwirkung des Johanniskrauts. Wegen ihrer zerstochen aussehenden Blätter sollte die Pflanze Stichwunden heilen. Nach einer Legende hat der Teufel die Blätter aus Wut perforiert, weil sich eine arme Sünderin, die vor ihm Schutz suchte, aufs Johanniskraut gesetzt hatte. In einer Sammlung abergläubischer Sprüche heißt es dazu: „Sanct Johanniskraut ist von so großer Krafft, den Teufel und die Hexen zu vertreiben, dahero auch der Teufel aus Boßheit dieses Krautes Blätter mit Nadeln durchsticht.“
Sonnenwendkraut: Das Kraut blüht zur Zeit der Sonnenwende. Bei der Christianisierung wurde die Sonnenwendzeit Johannes dem Täufer geweiht – Johanniskraut.
Johanniskraut: Nach einer Volkslegende soll die Pflanze aus dem Blut des Johannes dem Täufer entstanden sein. Andere Legenden berichten, wie die gelbe Blume dem heiligen Johannes das Leben rettete. Als er gefangengenommen werden sollte, kennzeichneten Verräter das Haus, in dem sich der heilige Apostel aufhielt, mit Sträußen des Johanniskrauts. In der Nacht geschah ein Wunder: Die Blumen erblühten an allen Häusern, an denen die Verfolger vorüber kamen und führte sie in die Irre. So wurde der heilige Mann gerettet.
Teufelsflucht, Teufelskraut, Hexenkraut, Donnerkraut: Johanniskraut wehrt Unheil ab, glaubten unsere Ahnen. Denn so wie der Teufel über Johannes den Täufer keine Gewalt hat, so vertreibt auch sein Kraut den Teufel. Ein Volksspruch lautet: „Hartheu ist der Mutter Gottes Freud und dem Teufel sein größtes Leid“. Wo Johanneskraut gedeiht, da kommt der Teufel nicht hin und bleibt auch kein Gespenst. Abergläubische Leute sammelten in der Johannisnacht das Kraut und hingen es in den Häusern und Ställen auf. An Fenstern und Türen gesteckt halten die Pflanzen die Hexen fern. Hexen wurde außerdem vor der Folterung der rote Saft der Johanniskrautblüten eingeflößt. Dann mußten sie angeblich die Wahrheit sagen.
Noch heute hängen manche Bewohner ein Büschel Johanniskraut unters Dach – als Schutz vor Blitz und Feuer.
Blutkraut, Wundenkraut: Zahlreich sind die Namen, die sich auf den blutroten Blütensaft beziehen. Die Pflanze soll einmal aus dem Blute Christi erwachsen sein. Das Kraut fing das Blut auf, das vom Kreuz herabtropfte (Christi Kreuzblut, Kreuzkraut, Jesuswundenkraut). Ein andermal gilt es als das Blut des Johannes dem Täufer. Als der heilige Johannes zum Märtyrertod geführt wurde weinten die gelben Blümchen um ihn. Zum Dank dafür vermachte der Heilige ihnen auf ewige Zeiten sein Blut (Johanniskraut). Dann wiederum galt das Blut von der Gottesmutter (Muttergottesblut) oder gar vom Herrgott selbst (Herrgottsblut, Herrgottskraut).
Frauenkraut, Unserer Lieben Frau: Johanniskraut war als „Frauenkraut“ der Muttergottes geweiht. Frauen, die in schweren Kindsnöten lagen, beräucherte man mit dem Frauenkraut; Wöchnerinnen bekamen bei starken Blutungen einen Strauß des Krauts in die Hand. Ferner wurde die Pflanze bei Gebärmutterkrämpfen und Menstruationsbeschwerden empfohlen. Wie andere sogenannte Frauenkräuter ist auch das Johanniskraut in vielen Gegenden Teil des an Maria Himmelfahrt am 15. August geweihten Kräuterbüschels.
Liebeskraut, Schätzleinkraut, Bubentreu: Johanniskraut galt als besonders geeignet als Liebesorakel. In manchen Gegenden legten die Mädchen eine ungerade Anzahl von Blüten in ein weißes Tuch und preßten sie zusammen. Färbt der austretende Saft das Tuch rot, dann ist der Schatz treu. Ist aber die Farbe grünlich oder bräunlich, dann ist der Erwählte unzuverlässig. Anderswo pflückten die heiratswilligen Mädchen in der Johannisnacht blühende Zweige und stellten sie in ein Wasserglas. Wenn die Blüten bis zum nächsten Tag welkten, dann mußte sich die Braut noch gedulden. Blühten sie weiter, war ein Bräutigam nicht weit.
Hypericum perforatum: Das ist der korrekte botanische Name für das Tüpfel-Johanniskraut. Hypericum kommt aus dem griechischen und heißt hyper – auf, über und eikon – Bild. Es bedeutet soviel wie gegen Spuk und Geister. Die Griechen bezeichneten mit dem Namen Hypericum Pflanzen, die über sakrale Figuren gehängt wurden, um böse Geister abzuhalten. Zum ersten Mal wurde der Name Hypericum im 2. Jahrhundert v. Chr. in einem medizinischen Rezept erwähnt. Perforatum ist der lateinische Ausdruck für durchbohrt, durchlöchert.
Historie – Das Kraut in der Volksmedizin
Das Volk kennt Johanniskraut seit alters her und nutzt seine Heilkraft. Ob die Ärzte der Antike, Klostermediziner oder Kräuterfrauen – sie alle beschrieben über die Jahrhunderte hinweg die Anwendung der Heilpflanze und lobten seine Wirkung.
Altertum und mittelalterliche Klostermedizin
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Pflanzenwelt begann in der Antike. Der griechische Arzt Hippokrates (460 - 377 v. Chr.) gab die ersten heute noch erhaltenen Anweisungen zur Anwendung des Johanniskrauts. Er nannte die Pflanze ein kühlendes und entzündungswidriges Medikament und verwendete es bei Lungenkrankheiten.
Die erste umfassende Arzneimittellehre verfaßte der griechische Heilkundler Pedanios Dioskurides. Er lebte von circa 40 bis 90 n. Chr. und war Militärarzt unter den Kaisern Claudius und Nero. Dioskurides beschrieb etwa 500 Heilpflanzen, ihr Gehalt, ihre Wirkung und ihre Anwendungen – das waren sämtliche im Altertum gebräuchlichen Heilkräuter. Sein Werk ist das wichtigste pharmakologische Buch des Altertums und galt in der Medizin des Mittelalters und bis in die Neuzeit als absolute Autorität, als die fundamentale und führende Stelle. Fast alle Kräuterbücher des Mittelalters bauten auf dem Werk von Dioskurides auf.
Dioskurides kannte vier verschiedene Johanniskraut-Arten: Hypericum perforatum, Hypericon, Androsomon und Koris. Über Hypericum perforatum schrieb er folgende Zeilen:
„Gemeines Hartheu. Seine Frucht ist wirksam bei Ischias, wenn sie mit zwei Kotylen Honigwasser getrunken wird, denn sie führt viel gallige Unreinigkeit ab; sie muß aber anhaltend bis zur Gesundung gegeben werden. Sie ist auch ein gutes Mittel als Umschlag bei Feuerbrandwunden.“
Alle Kräuterbücher des Mittelalters führen Johanniskraut auf. Allerdings wiederholten die Verfasser lediglich das, was ihre antiken Vorläufer schon erwähnt hatten. Erst Hildegard von Bingen (1098 - 1179) lehnte sich nicht ausschließlich an Autoren wie Dioskurides an, sondern sie schöpfte ihr Wissen großenteils aus eigener Anschauung und Erfahrung. Die Benediktiner-Nonne gilt als erste deutsche Naturforscherin und Ärztin, die der Nachwelt ein umfangreiches Werk hinterließ. Ihre Physica – Naturkunde – ist von überragender Bedeutung, es ist ein Dokument mittelalterlicher Naturkunde. Das Johanniskraut erwähnte sie nur kurz:
„De Hartenauwe. Die Pflanze ist kalt und ein gutes Viehfutter; zu Arzneien ist sie nicht zu gebrauchen.“
Warum Hildegard von Bingen das Johanniskraut zum nutzlosen Allerweltskraut erklärte, weiß man nicht. Allgemein war sie in der Anwendung der Heilmittel recht vorsichtig. Im Falle des Johanniskrauts wohl zu vorsichtig.
Paracelsus und die Signaturenlehre
Die Wende in der Medizin des Mittelalters zur Neuzeit brachte Paracelsus (1493 - 1541). Sein richtiger Name lautete Theophrastus Bombastus von Hohenheim. Der Arzt und Philosoph kritisierte die mittelalterliche, oft spekulative Heilkunde, reformierte die praktische Medizin und führte die Chemie in die Heilkunde ein.
Das Johanniskraut besetzte bei Paracelsus eine hervorragende Stellung. Er berichtet, das Johanniskraut vertreibe die Gespenster der Natur, verjage die Würmer, heile Wunden, Beinbrüche und alle Quetschungen und wirke als Balsam – es „ist universalis medicina uber den ganzen menschen“. Paracelsus empfahl Johanniskraut erstmals gegen „tolle Phantasien“ und war damit seiner Zeit weit voraus. Denn tatsächlich konnte dessen Wirkung bei Depressionen, Melancholie und Hysterie in den letzten Jahren nachgewiesen werden.
Paracelsus vertrat die Meinung, daß die Natur alle Kräuter mit Zeichen versieht, wozu es gut ist. Er war Anhänger der sogenannten Signaturenlehre. Danach ist gegen jede Krankheit ein Kraut gewachsen. Welche Pflanze gegen was hilft, zeigt sie durch ein äußeres Zeichen. Das kann ihr Aussehen sein, die Farbe ihrer Blüten, die Form ihrer Blätter oder was auch immer. Die Heilkundigen von damals verglichen die Pflanzen mit den Krankheitssymptomen, sie suchten nach Ähnlichkeiten, Gegensätzen und bestimmten Mustern.
So sollen Disteln wegen ihrer stacheligen Frucht bei Seitenstechen helfen, rote Blüten Blutkrankheiten heilen, gelbe Blüten die Galle unterstützen. Von bestimmten Pilzen, die man von abgestorbenen Bäumen sammelte, glaubte man, daß sie einem Toten das Leben zurückgeben. Weil Efeu Weinreben erstickt, versuchten die Kräutermediziner mit seinen Beeren die Trunkenheit zu besiegen. Die Wurzel der Herbstzeitlose erinnert an einen von der Gicht deformierten Fuß und sollte folglich die Gicht wirksam bekämpfen. Augentrost hilft entzündeten Augen, weil seine Blüten fleckig und blutunterlaufen aussehen. Isländisches Moos empfahl man wegen seiner bauschigen, lungenähnlichen Blätter bei Lungenerkrankungen.
Auch beim Johanniskraut fand Paracelsius Zeichen, die auf eine bestimmte medizinische Wirkung hinweisen sollten. Dabei fällt auf, daß der heute doch recht seltsam erscheinende Weg über die Signatur zu einem medizinisch haltbaren Ergebnis führt.
Zeichen des Johanniskrauts | Wirkung |
---|---|
Löcherung der Blätter | das Kraut hilft innerlich und auswendig |
gelbe Blüten | hilft gegen Stauungen des gelben Gallensaftes |
Rotfärbung der Blüten | Blutszeichen, ist für Wunden gut und was von Wunden kommt |
Blattadern | treibt die Phantasien aus, verjagt Gespenster |
Kräuterbücher der Neuzeit
Voller Lob äußerten sich die Autoren der bedeutendsten Kräuterbücher der Neuzeit über das Johanniskraut. Hieronymus Bock rühmte es in seinem 1539 erschienenen „New Kreütterbuch“ als blutstillend, wundheilend, harntreibend und wirksam bei Fieber und Ischias. Bock beschrieb nicht nur die Anwendungen der Pflanze, sondern auch deren Fundorte. Teils verwehrte er sich gegen abergläubische Bräuche, die mit dem Johanniskraut betrieben wurden, teils ergänzte er die Berichte. Es fällt auf, daß viele der damaligen Indikationen sind heute noch immer – oder wieder – aktuell sind.
Der Botaniker Leonhart Fuchs schrieb 1543 im „New Kreütterbuch“:
„S. Johanskraut mit blumen und samen gesotten und getruncken
treibt den harn
in wein gesotten und getruncken
vertreibt es das drittäglich und viertäglich feber.
Sein sam gesotten unnd viertzig tag an einander getruncken
heylet das hüfftwee.
Die bletter mit dem samen zerstossen und übergelegt
heylen den brandt.
Die bletter gedörrt
und zu pulver gestoßen
in die faulen schäden und geschwär gestrewet
heylen dieselbigen.
Der samen gesotten und getruncken
stellt den bauchfluß
unnd ist treffenlich gut zu dem blasen stein.“
Anwendungen in der Volksmedizin und heute
Viele Jahrhunderte lang sprach das Volk dem Johanniskraut eine große Kraft zu. Es konnte nicht nur viele Gebrechen heilen, sondern wehrte angeblich auch vom Menschen alles Böse ab. Wie wir bereits erfahren haben rückten unsere Vorfahren einer Vielzahl der Krankheiten mit Johanniskraut zu Leibe und Seele. Lungen, Magen und Nieren sollte es reinigen, innere Hitze und Brand bekämpfen, aber auch Krämpfe.
Es half gegen Blutandrang und Ischias, gegen Asthma, Kopfweh, Bettnässen, Gelbsucht und zahlreichen Frauenleiden, bei Rheuma, Gicht und Blasensteinen und es vertrieb die Würmer aus dem Darm. Es diente auch als Nervenmittel und gegen Hysterie. Im 17. Jahrhundert empfahl es ein Kräuterbuch bei „fürchterlichen, melancholischen Gedanken“, sowie bei „Zittrigkeit“ und „Unruhe“.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2015
- ISBN (ePUB)
- 9783959120166
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2015 (März)
- Schlagworte
- Gesundheit Depression Homöopathie Heilkraut Kräuter